20. April 2022, Lebenslanges Lernen

Software Development statt arbeitslos mit everyone codes

Die Bilder dieser Tage erinnern an jene, als 2015 und 2016 tausende geflüchtete Menschen – die meisten aus Syrien – nach Österreich kamen, um Schutz vor dem Krieg in ihrer Heimat zu finden. Um sie bei der Integration zu unterstützen, wurde damals die Initiative „refugees code“ ins Leben gerufen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen unterstützten die Migrant:innen durch englischsprachige Weiterbildungen im Programmieren. Die Idee: „Wir haben gesehen, dass es viele gut ausgebildete Menschen unter den Geflüchteten gab, und wollten sie mit Schulungen im Software Development schneller in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft einbinden“, erzählt Stefan Steinberger. Das hat so gut funktioniert, dass er daraus 2019 das EdTech Unternehmen everyone codes gründete.

Eine neue Zielgruppe

Ganz so, dass „jeder programmiert“ ist es übrigens nicht: Die Zielgruppe sind aktuell ausschließlich Arbeitslose, die den Quereinstieg Weg in den IT-Bereich schaffen wollen. Eine Teilnahme an den Kursen ist derzeit nur über das AMS Wien oder das AMS Niederösterreich möglich. Diejenigen, die das jeweilige Auswahlverfahren bestehen, können dann Software-Entwicklung oder UX Design erlernen. „Es gibt eine große Nachfrage und wir können pro Kurs nur 16-20 Leute aufnehmen“, sagt Stefan. Nachdem sie die formellen Voraussetzungen (beim AMS registriert und über 18 Jahre alt) mitbringen, geht es dabei vorrangig um logisches Denken und gute Englisch und Deutsch Kenntnisse. „Wenn sie diese Kriterien erfüllen, sind Interesse und Motivation wichtig. Als Programmierer:in bzw. UX Designer:in lernst du nämlich nie aus. Das Wissen in der IT-Branche ist nach 12 bis 18 Monaten schon veraltet und man muss sich ständig weiterbilden, um nachhaltig am Jobmarkt etabliert zu sein.“

Mit everyone codes schaffen Quereinsteiger:innen den Schritt in die IT-Branche. (Foto: everyone codes)

Lernen im Sinne des Arbeitsmarkts

Die Kurse müssen in Vollzeit und je nach Kurs – zwischen fünf und 13 Monaten absolviert werden. Inhaltlich vermitteln die Coaches von everyone codes nicht nur die notwendigen fachlichen Kompetenzen, sondern auch „Softskills“ wie Durchhaltevermögen, Resilienz und ein „Growth Mindset“. Neben Praxisbeispielen gibt es jede Woche ein bestimmtes Thema mit entsprechenden Aufgaben und Tests. Dabei geht es allerdings nicht um die Beurteilung, sondern um das Feedback, das für selbstständiges Lernen benötigt wird. „Wir arbeiten mit Erwachsenen, also gehen wir davon aus, dass sie selbst wissen, was sie brauchen. Bei den Inhalten legen wir Wert auf die wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Unternehmen für diese Positionen suchen“, so Stefan. Die Teilnehmer:innen erhalten außerdem umfangreichen Support bei der Jobsuche, indem sie mit den Unternehmenspartner:innen von everyone codes vernetzt werden.

Beide Seiten profitieren

Everyone codes existiert, um das Leben für alle Beteiligten einfacher zu machen. Damit Unternehmen die passenden Arbeitnehmer:innen bekommen und diese wiederum einen sicheren und hochwertigen Job. Um die richtigen Fachkräfte an die passenden Arbeitgeber:innen zu bringen, steckt hinter everyone codes ein einfaches Prinzip: Nachfragen. Das Team des EdTech Unternehmens weiß mittlerweile, was sich Unternehmer:innen von ihren Software-Entwickler:innen und UX Designer:innen wünschen. Darauf aufbauend wurden die Ausbildungen und das Auswahlverfahren konzipiert. Für die Quereinsteiger:innen geht es wiederum um die idealen Rahmenbedingungen ihrer zukünftigen Anstellungsverhältnisse. „Für die Suche nach den Unternehmenspartner:innen war uns wichtig, die Hintergründe unserer Kund:innen miteinzubeziehen. Da passen Großunternehmen mit geregelten und strukturierten Arbeitsverhältnissen meistens besser als beispielsweise Startups“, sagt Stefan. Diese Symbiose wirkt bei everyone codes offensichtlich sehr gut – 70 (von 97) Absolvent:innen haben das Programm seit der Gründung erfolgreich abgeschlossen und arbeiten seither unter anderem bei namhaften Firmen wie Drei, Erste Bank oder Kapsch.

Stefan, Gründer von everyone codes. (Foto: everyone codes)

Nachgefragt bei Stefan

Ist euer Programm vergleichbar mit einem Studium?

Ich würde sagen, der Vergleich hinkt etwas, einfach weil es eine andere Zielgruppe ist. Ein Informatik-Studium ist viel breiter und theoretischer im Stoff. Unsere Weiterbildung ist praxisorientierter und ermöglicht es in dem Bereich einzusteigen. Jemand, der gerade sein Studium fertig hat, möchte wahrscheinlich eher an der Software-Architektur arbeiten und ein Projekt leiten und weniger gern an kleinen Projekten programmieren, was wiederum unsere Absolvent:innen machen. Das heißt, beides ergänzt sich gut.

Wie siehst du die Situation an Schulen – braucht es dort mehr Interesse für Informatik?

Ganz generell glaube ich, Desinteresse oder Interesse für ein Fachgebiet steht und fällt mit den Lehrer:innen. Das kennt jeder von der eigenen Schulzeit. Außerdem wäre ein Schulsystem gut, in dem interdisziplinär und themenbezogen bzw. kompetenzorientiert gelernt wird, nicht mehr in starren Schulfächern. Mehr Fokus auf Tools und Kompetenzen, weniger Fokus auf Fachwissen und auswendig lernen wäre auch toll. Wir bei everyone codes machen das auch und sind der Meinung, dass es eher um die Grundkonzepte des Programmierens und Programmier-Tools geht, nicht nur um das Wissen in einer bestimmten Programmiersprache.

Wollt ihr in Zukunft eure Zielgruppe eventuell erweitern?

Wir haben unsere Zielgruppe mit Arbeitslosen super definiert, sind damit aber auch in der Abhängigkeit. Theoretisch könnten wir unser Konzept wie es derzeit ist, in einigen Jahren auf Deutschland ausweiten, aber das hat erstmal keine Priorität. Und nochmals zur Zielgruppe – ja, die könnte definitiv noch breiter werden. Beispielsweise könnten wir auch Kurse für Menschen anbieten, die aus diversen Gründen nicht studieren können oder wollen aber nicht arbeitslos sind.

 

Eve hat sich nach der Kommunikationsarbeit in der Salzburger Innovationsszene als Texterin in Wien selbstständig gemacht. Der Funke ist über die Distanz aber nicht erloschen: Nach wie vor schreibt sie am liebsten über innovative Unternehmer:innen und ihre spannenden Ideen. Dafür geht ihr im EdTech Bereich sicherlich nicht so schnell der Stoff aus.

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