AR, VR und XR: Virtuelle Welten bilden anders
Immersive Welten ziehen uns derzeit – wenn überhaupt – noch vorrangig über Smartphones oder Tablets in virtuelle Räume. Das Potenzial von Extended Reality (XR), also Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) (Anm.: Siehe auch Infobox) scheint dabei noch nicht wirklich ausgeschöpft, besonders im Bildungsbereich. Ist hier noch mehr möglich? Wir haben bei den drei Entrepreneur:innen Sabine Madritsch, Niklas Knapp und Bjarne Zimmer nachgefragt!

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach XR in der Bildung?
Sabine: Es ist meiner Meinung nach eine wertvolle Ergänzung zum traditionellen Lernen. Besonders als Blended-Learning-Ansatz bieten immersive Technologien mehr Engagement als der rein passive Konsum von Videomaterial.
Niklas: XR-Inhalte schaffen lebendige Erlebnisse, die klassische Medien übersteigen. Genauso wie ich Immobilien mit 3D-Rundgängen zum Leben erwecke, lassen sich auch im Bildungsbereich theoretische Konzepte in interaktive Lernwelten überführen. Damit wird abstraktes Wissen greifbar und nachhaltiger verankert – ein Ansatz, der Motivation und Verständnis stärkt.
Bjarne: Auch wenn man in diesem Bereich arbeitet, kennt man eigentlich nie alle möglichen Anwendungsmöglichkeiten. In der Bildung oder Industrie ist XR aber spannend, um damit mehr Fehlerkultur entstehen zu lassen, Neues auszuprobieren. Weil man einfach auf Reset drücken kann, statt Maschinen komplett neu aufzubauen zu müssen.
In welchen Bildungsbereichen besteht das größte Potenzial für immersive Technologien?

Sabine: XR fördert erfahrungsbasiertes Lernen, aber auch praktisches Fähigkeitstraining – gerade in Situationen, in denen reales Training schwierig oder teuer ist. Somit wird es auch schon in Schulen für Fächer wie Geschichte und Geografie eingesetzt. Außerdem können 3D-Modelle das räumliche Verständnis in der Mathematik verbessern. An Hochschulen kann der Einsatz von XR für Simulationen und Prototyping beispielsweise die Kosten für reale Materialien senken.
Niklas: Bereiche, in denen visuelle Darstellungen und praktische Erfahrungen entscheidend sind, wie Architektur, Ingenieurwesen, Medizin, Geschichte oder Sprachunterricht. Lernende können beispielsweise in einem virtuellen Labor komplexe Prozesse erproben oder historische Schauplätze interaktiv erkunden.
Bjarne: Gerade bei VR gibt es viel Potenzial, weil man sich sofort in einen anderen Raum versetzt fühlt, obwohl man physisch im Klassenzimmer sitzt. Spannend ist auch der Multiplayer-Aspekt: Alle befinden sich gemeinsam im virtuellen Raum, Lehrkräfte können mit 3D-Strukturen arbeiten, Elemente hinzufügen oder Pop-ups einblenden. Lernende können sich diese näher ansehen, interagieren oder störende Elemente ausblenden. Eine gute Chance, den Unterricht aufzulockern.
Wie verändert XR das Lernen im Vergleich zu traditionellen Methoden?
Sabine: Es verlagert das Lernen vom reinen Ansehen von Videos oder PDFs zu einer aktiven Beteiligung und Interaktion mit virtuellen Umgebungen und Objekten. XR ermöglicht die Wiederholung von Aufgaben und Arbeitsschritten in einer sicheren und immersiven Weise.

Niklas: Traditionelle Lehrmethoden basieren oft auf statischem Wissen, das lediglich vermittelt wird, XR ermöglicht mehr „Learning by Doing“. Übertragen auf den Bildungsbereich bedeutet das, dass Informationen nicht nur passiv aufgenommen, sondern aktiv erlebt werden.
Bjarne: Der größte Benefit ist, dass in einer immersiven, digitalen Welt mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden. Vielleicht kommt sogar irgendwann einmal Geschmack und Geruch dazu. Probleme interaktiv zu lösen, führt meiner Meinung nach auch dazu, sich neues Wissen leichter zu merken.
Wie siehst du die Zukunft von XR in der Bildung in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Sabine: Die Akzeptanz wird sicher je nach Sektor variieren, wobei AR und VR unterschiedliche Zwecke erfüllen. VR eignet sich meiner Meinung nach für fokussiertes Lernen, die Schaffung eines Präsenzgefühls und für Simulationen. AR könnte wegen seiner leichteren Zugänglichkeit noch stark wachsen. Die Kosten werden sinken und die Erstellung von Inhalten mit KI-Tools einfacher.
Niklas: Ich bin überzeugt, dass XR zunehmend in den Schul- und Hochschulalltag integriert wird. Notwendig dafür sind technologische Fortschritte, sinkende Kosten und die zunehmende Digitalisierung. Immersive Lernumgebungen werden sich dann wohl nicht mehr nur als ergänzendes Medium, sondern als integraler Bestandteil moderner Lehrkonzepte etablieren.
Bjarne: Ich würde sagen, sowohl AR als auch VR werden weiterhin einen enormen Mehrwert haben und ihre Berechtigung behalten. Sie sind kein Allheilmittel, werden meiner Meinung nach aber immer wichtiger.
Welche ethischen und/oder gesellschaftlichen Herausforderungen siehst du bei der Nutzung von XR in der Bildung?

Sabine: Es müssen einheitliche ethische Richtlinien für das Verhalten in virtuellen Umgebungen gelten, beispielsweise ein respektvoller Umgang mit Avataren, und die Gewährleistung von Diversität in der Darstellung der Avatare. Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist auch eine wichtige ethische Überlegung.
Niklas: Datenschutz und Privatsphäre sind zwei wichtige Punkte, weil in immersiven Lernumgebungen oft personenbezogene Daten erfasst werden. Klare Richtlinien und Schutzmechanismen sind hier unerlässlich. Zudem sollte verhindert werden, dass XR zu einer weiteren digitalen Kluft führt. Im Bildungsbereich sollten Inhalte außerdem verantwortungsvoll und ethisch vermittelt werden, ohne Manipulation oder Verzerrung.
Bjarne: Gesellschaftlich fehlt es noch an breiter Akzeptanz, vermutlich auch aufgrund von Berührungsängsten und wenig digitalen Vorerfahrungen. Der Realitätsverlust ist dabei nicht das zentrale Thema, denn in VR taucht man zwar in eine andere Welt ein, kehrt mit dem Absetzen der Brille aber in die reale zurück. Dennoch vermischen sich virtuelle Erfahrungen mit dem realen Wissen. In AR gestaltet sich das differenzierter: Die reale Welt wird erweitert, nicht ersetzt – was dazu führen kann, dass digitale Hilfen nach dem Entfernen fehlen. Wie stark immersive Technologien wirken, hängt aber auch von der Dauer und Tiefe der Nutzung ab.
Vielen Dank für das Interview!
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