3. Juni 2025, Allgemeines

Gelebte Praxis trifft Innovation: der vierte EdTech Austria Summit

Unter dem Motto „Gelebte Praxis“ bot der bereits vierte EdTech Austria Summit eine Bühne für EdTechs, engagierte Lehrende, Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft sowie interessierte Gäste, die sich im Salzburg Congress zu einem Tag des Austauschs, der Inspiration und des gemeinsamen Lernens trafen.

Das Programm? Ein vielfältiger Mix aus Tech Tasting im Ausstellungsbereich, der EdTech Austria Fellowship Showcasing Area, drei Panels, zwei Keynotes, 6×5 Minuten-Learnings, etlichen Projektvorstellungen und Workshops, einem Mitredeformat und der Gütesiegel-Verleihung an 42 Lern-Apps.

Erstmals Teil des EdTech Austria Summits war MINT Salzburg – die MINT-Initiative bereicherte das Programm mit zwei Vorträgen, einem Fuckup-Workshop sowie einem Good-Practice-Talk.

Ein Tag voller Zukunftsmomente

Der diesjährige Summit war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil er die Vielfalt und das Potenzial des heimischen Ökosystems zeigte, das innerhalb der letzten Jahre stark angewachsen ist. Das sieht man zum Beispiel auch an der Anzahl unserer Mitglieder: Wir haben mit 40 Mitgliedern gestartet, mittlerweile sind 168 EdTechs Teil unseres Netzwerks. Zum anderen aber auch, weil der Summit auch der Abschluss des ersten österreichweiten EdTech-Fellowships war – ein besonderer Moment für alle Beteiligten.

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

Dass digitale Kompetenzen in unserer heutigen Welt enorm wichtig sind, darüber waren sich die Gäste des Eröffnungspanels einig. Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (Land Salzburg), Martin Bauer (Bundesministerium für Bildung), Manfred Rosenstatter (Wirtschaftskammer Salzburg), Melina Schneider (Wirtschaftskammer Österreich) und Jakob Calice (OeAD) sprachen mit Moderator Ike Richson über die Zukunft von Bildung und Technologie.

Es gehe darum, Bildung allen zugänglich zu machen, um die Möglichkeit, selbstbestimmt lernen zu können, aber eben auch darum, die digitalen Kompetenzen aller Altersstufen zu fördern und ein Bewusstsein für die Hoheit über die eigenen Daten zu erlangen. In Sachen künstlicher Intelligenz sei Österreich leider nicht bei den Vorreitern dabei, punkten könne man aber in der Robotik – also der Entwicklung, dem Bau und dem Einsatz von Robotern.

Mit dem motivierenden Satz „Hören Sie nie auf zu lernen!“ wurde das Summit-Programm offiziell eröffnet – und zu lernen gab es tatsächlich einiges für das zahlreich erschienenen Publikum.

Führung im Zeitalter von KI

Mit einer kleinen Übung zum Mitdenken stieg Zamina Ahmad, Expertin für KI und maschinelles Lernen sowie CEO von shades&contrast, dann direkt ins Thema ein: Was passiert, wenn KI auf blinde Flecken trifft und wie wichtig ist Perspektivenvielfalt im Team? Die Tatsache, dass nur 22 Prozent der KI-Fachkräfte Frauen sind und KI-Systeme weltweit männliche Vornamen bevorzugen (etwa bei Bewerbungsprozessen), zeigt recht eindrücklich, dass selbst ein scheinbar „neutraler“ Datensatz diskriminieren kann, wenn der gesunde Menschenverstand fehlt.

Ihr Ansatz, um dieses Problem zu lösen: AI-Augmented Leadership – also KI und Mensch als Dreamteam mit Bewusstsein, Mitgefühl und Weisheit. So kann KI nicht nur zur Produktivitätssteigerung oder Automatisierung verwendet werden, sondern leistet einen wertvollen Beitrag im beruflichen Alltag: Mensch und KI gehen eine Symbiose ein, die besser entscheiden kann und oft fairer ist als Mensch oder KI allein.

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

Besonderen Wert legt Zamina Ahmad auf das kritische Hinterfragen aller KI-generierten Inhalte: nicht einfach hinnehmen, sondern nachfragen – nur das stellt sicher, dass die KI ethisch bleibt und weniger Halluzinationen erzeugt, also Dinge erfindet, die nicht stimmen.

EdTech goes global – mit Neugier und Mut zur Lücke

Beim Panel „Think Global – EdTech-Pionier:innen erzählen“ wurde deutlich, wie vielfältig die Herausforderungen und Chancen digitaler Bildung im globalen Kontext sind. Tanja Wassermair (GeoGebra GmbH) betonte die Rolle der Community bei der Weiterentwicklung der Plattform, die in über 70 Sprachen verfügbar ist. Der internationale Austausch helfe auch, unterschiedliche mathematische Zugänge zu verstehen. Andreas Hörfurter (common sense eLearning) hob hervor, wie wichtig es sei, lokale Bedingungen ernst zu nehmen – etwa fehlende Infrastruktur – und gemeinsam mit lokalen Expert:innen Lösungen zu entwickeln. Lilia Gerber (Moonshot Pirates) berichtete von bewegenden Erlebnissen in Tansania, wo Schule als großes Geschenk gesehen wird – im Gegensatz zur oft geringeren Wertschätzung in Österreich. Mathias Kutschera (Robo Wunderkind) betonte außerdem, dass niemand ein Patentrezept für Internationalisierung habe, dass aber Offenheit und Interesse, wie etwa in den USA, dem Hauptmarkt von Robo Wunderkind, viel möglich machen.

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

Gesund lernen, digital leben – wie Bildungstechnologien uns stärken können

Digitale Kompetenzen sind heute mehr als ein Nice-to-have – sie sind eine echte Gesundheitsfrage. Wer täglich digitale Tools nutzt – sei es einen KI-Assistent wie ChatGPT oder soziale Medien – steht vor völlig neuen Herausforderungen im Umgang mit diesen Tools und muss erst lernen, damit auf gesunde Weise umzugehen.

Im Panel „Digital Humans – Gesundheit braucht digitale Kompetenzen“ drehte sich deswegen alles darum, wie wir mit digitalen Tools gesünder, lernfähiger und selbstbestimmter leben können.

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

Julia Holzer (Universität Wien) betonte, dass Lernen nur dann erfolgreich ist, wenn gewisse Voraussetzungen stimmen: Erfolgserlebnisse, soziale Einbindung und ein Gefühl von Autonomie. Hausübungen mit ChatGPT seien eher kontraproduktiv, wenn’s darum geht, die eigene Motivation und Kompetenz zu spüren. Statt fertigen Konzepten brauche es mehr Kreativität, Kollaboration und eine ordentliche Portion „Wir schaffen das“-Mentalität – auch im Umgang mit Social Media und den eigenen Emotionen. Evelyne Kern (öbv und lörn) brachte es auf den Punkt: Lernen gelingt dann am besten, wenn man jemanden hat, der:die an eine:n glaubt. Lehrpersonen sollten dementsprechend Raum zum Entdecken geben, zum Lernen ermutigen und sich an die eigene Schulzeit erinnern: Was hätte ich damals gebraucht?

Ihr Plädoyer: Fehler nicht als Problem, sondern als Chance zu sehen. Sven Maikranz (Upstrive) hob hervor, wie wichtig Zugehörigkeit ist, ganz besonders für Jugendliche. Digitale Tools können hier Brücken bauen und den Zugang zu den Jugendlichen erleichtern. Sein Appell: mehr Fokus auf Fähigkeitsentwicklung und mentale Gesundheit.

6×5-Minuten Learnings

„Was ist dein größtes Learning?“ Diese Frage stellten wir sechs EdTechs, die ihre Erfahrungen aus der Praxis mit dem anwesenden Publikum teilten.

Auf der Bühne: Thomas Layer-Wagner (Polycular), Evelyne Kern (öbv und lörn), Stefanie Susser (Hacker School Austria), Michael Maurer (eSquirrel), Asmita Banerjee (lablife) und Bernd Simon (Knowledge Markets). Sie alle teilten ihre Erfahrungen der letzten Jahre – eine Zusammenfassung:

  • Naivität und Ungeduld sind anfangs hervorragende Eigenschaften.
  • Leg einfach los und probier es aus!
  • Recherchiere aber gründlich, ob es einen Markt für deine Idee gibt.
  • Frag dich: Werden die User:innen für mein Produkt zahlen wollen?
  • Frag dich auch: Was muss ich machen, damit meine Kund:innen glücklich sind?
  • Sprich mit den Menschen, knüpfe viele Kontakte, aber:
  • Choose your partners wisely – und hör auf das Feedback deiner Partner:innen.
  • Denk regional oder international – je nachdem, was du erreichen willst.
  • Sei nicht zu fixiert auf die Lösung – fall in love with the problem, not with the solution.
  • Mach dir bewusst: Manchmal ist die Zeit noch nicht reif für dein Produkt. Wenn das so ist:
  • Hab Geduld und bleib dran!

Spielerisch die Welt erkunden – im wahrsten Sinne des Wortes

Beim Mitrede-Format zur Frage „Was lernt man digital und was doch besser analog“ bekam das Publikum nicht nur die Möglichkeit, mitzureden, sondern konnte ein physikalisches Experiment analog und digital erleben. Angeleitet wurde das Mitmach-Format von Teresa Torzicky (BID), außerdem auf der Bühne: Paul Beyer-Klinkosch (SchuBu), Anna Gawin (DaVinciLab) und Raphael Riedler (PeP – Pongau entwickelt Potenziale).

Die darauffolgende Keynote zum Thema „Game Changers in Education“ stand dann unter dem Motto „Not just a game – it’s a game changer”. Johanna Pirker, Professorin für Games Engineering an der TU Graz, weiß: Bildung muss heute anders stattfinden. Weil klassische Klassenzimmer nicht für alle funktionieren, setzt sie auf digitale Wege – und auf jene Orte, an denen junge Menschen wirklich unterwegs sind: Plattformen wie TikTok, Fortnite oder Twitch.

Was dort geht? Mehr als man denkt: Johanna Pirker baut Wissen in ihre Twitch-Streams ein, lässt Physik im virtuellen Labor lebendig werden und zeigt: Lernen kann auch einfach Spaß machen – ganz ohne Zwang, nur weil’s cool ist. Computerspiele können heute mehr als nur zu unterhalten: Sie bringen Menschen zusammen, fördern Empathie und schulen die Entscheidungsfähigkeit. Wenn wir also junge Menschen erreichen wollen, müssen wir dorthin, wo sie sich gerne aufhalten.

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

Bildung weiterdenken: Räume, Chancen und digitale Ideen

Bei den Projektvorstellungen der EdTechs war schnell klar: Ob Schule oder Lehre – wer Bildung zukunftsfit machen will, muss Räume schaffen, zuhören und auch mal Neues wagen.

Die TalentsLounge der der KPH (Katholischen Pädagogischen Hochschule) zeigte: Es geht nicht nur um Bildung – es geht um neue Räume zum Ausprobieren. Der neue Lehrplan bringt fächerverbindendes und projektbasiertes Arbeiten mit sich – eine riesige Chance. Schulen und Partner wie DaVinciLab arbeiten hier eng zusammen, um genau diese Räume zu gestalten, denn: Digitale Grundbildung betrifft alle und kann in jedem Fach Platz finden.

Auch im Lehrlingsbereich tut sich einiges: Gemeinsam mit dem EdTech ovos soll die Lehre neu gedacht werden. Warum? Es gibt gleich viele Lehrlinge wie Maturant:innen, eine Tatsache, die oft vergessen wird. Oft fehlt während der Lehrzeit die Zeit fürs Lernen, hier sind digitale Lösungen gefragt – für selbst bestimmtes, flexibles und realitätsnahes Lernen. Ein Beispiel dafür kommt vom LFI Tirol (Landwirtschaftliches Fortbildungsinstitut) und  MEDIASQUAD: Wie bringt man eine Kälbergeburt in den Lehrsaal? Die Antwort: mit VR (Virtual Reality). Neue Methoden machen’s möglich – wenn beide Seiten, Pädagog:innen und Entwickler:innen, einander zuhören und ihre Welten gegenseitig erklären.

Auch starlim und sterner sowie Talents&Company schauen kritisch auf die eigene Lehrlingsausbildung: „Wir dachten immer, wir sind die Besten.“ Doch Daten für diese Annahme fehlten. Durch eine jährliche Lehrlingserhebung soll es zukünftig möglich sein, die Jugendlichen besser zu verstehen und dadurch auch besser zu begleiten.

Abschluss und Ausblick

Den Abschluss des vierten EdTech Austria Summits bildete die Gütesiegel-Verleihung an 42 Lern-Apps, danach war ausgiebig Zeit für inspirierenden Austausch und gemütliches Netzwerken. Hier kannst du das MINT Salzburg Programm nachlesenwir bedanken uns ganz herzlich für die tolle Zusammenarbeit! 

Foto: Innovation Salzburg/Benedikt Schemmer

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Für EdTech Austria und Innovation Salzburg sucht sie nach den richtigen Worten, um außergewöhnlichen Menschen und innovativen Ideen jenen sprachlichen Raum zu geben, den sie verdienen – denn (frei nach Karl Kraus) Worte sind nicht nur da, um Wirklichkeit auszudrücken, sondern um Menschen zu ermöglichen, an ihr teilzuhaben.

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