31. Mai 2023, Allgemeines, Schule, Hochschule, berufliche Aus- und Weiterbildung, Lebenslanges Lernen

ChatGPT – Gekommen, um zu bleiben: Part II

Für ein sicheres Morgen, heute digital unterrichten. 

Während der Boom der intelligenten Technologien (wie zum Beispiel KI) so mancher Lehrkraft eine kleine Falte auf die Stirn legt, sehen Alicia Bankhofer, die an einer Wiener Schule Digitale Grundbildung und Englisch in der 1. Sekundarstufe unterrichtet, Michael Lutz, EdTech Coach und Lehrer der 1.-3.  Sekundarstufe im Kanton Zürich und Martin Wieser, der in der Erwachsenenbildung in Salzburg arbeitet, das Thema gelassener. Alle drei sind sich sicher, dass Programme wie ChatGPT bald selbstverständlich sein werden. Darum sehen sie sich auch selbst in der Verantwortung, mit Lernenden eine sichere Handhabung zu erarbeiten. Wie das aussehen kann, haben sie uns im Gespräch verraten. 

ChatGPT ist in aller Munde und wird dabei auch sehr kritisch beäugt. Wie seht ihr das?

Alicia: Man darf sich nicht von ersten Eindrücken oder Emotionen täuschen lassen. Ein KI-Tool ist einfach ein weiteres Werkzeug, wie eine Suchmaschine oder ein Online-Lexikon. Jede Lehrperson gibt Aufgaben, die damit erledigt werden können und somit finde ich, es sollte auch jede und jeder ausprobieren. Und sich nicht darauf verlassen, dass die Kinder es eh schon wissen. Wir kommen ja auch nicht auf die Welt und wissen, wie wir Google oder Wikipedia richtig nutzen. Ein sicherer Umgang mit digitalen Tools muss erlernt werden. 

Martin: Ich beschäftige mich viel mit dem Thema Lernen und verstehe die Skepsis – Natürlich gehen bestimmte Dinge verloren, wenn Neues entsteht. GPS zum Beispiel, das ist auch eine andere Art der Orientierung als mit einer haptischen Karte. Wenn ich mir aber denke, dass sich Schüler:innen durch diese anonymisierte Art des Lernens wie mit ChatGPT trauen, mehr Fragen zu stellen, dann sehe ich das allein schon als Benefit. 

Alicia: Es ist eine veränderte Art des Unterrichtens, weil es digitale Tools früher einfach noch nicht gab. Als Lehrperson im 21. Jahrhundert ist es aber meiner Meinung nach unumgänglich, die Kinder und Jugendlichen auf die realen Arbeitsverhältnisse vorzubereiten und die entwickeln sich eben in diese Richtung. 

Alicia Bankhofer unterrichtet an einer Wiener Schule Digitale Grundbildung und Englisch in der 1. Sekundarstufe (Foto: Hedwig Pschill)
Was wäre denn eurer Meinung nach für Lehrkräfte die beste Annäherung an KI?

Alicia: Ich würde empfehlen, klein zu beginnen. Sich erst zu informieren, was es derzeit überhaupt gibt. Möglicherweise am Schulstandort nach Fortbildungen fragen. Und ganz wichtig: Use Cases und Regeln für den Unterricht festlegen. Außerdem würde ich nicht raten, das Thema auf den Stundenplan von Kindern unter 11 Jahren zu setzen, weil sie das Thema noch nicht in seinem vollen Umfang verstehen können. 

Michael: Als EdTech Coach ist genau das meine Aufgabe – ich begleite andere Lehrer:innen bei den ersten Schritten zur Nutzung von digitalen Tools. Ich zeige ihnen dann zum Beispiel, wie ChatGPT beim Erstellen von Lernzielen oder Planen von Klassenaktivitäten helfen kann. Damit sie die Arbeitserleichterung sehen. Dann ist der Schritt nicht mehr weit zu erkennen, dass es auch wertvoll für Schüler:innen ist. 

Martin Wieser arbeitet in der Erwachsenenbildung in Salzburg (Foto: Martin Wieser)
In der Praxis geht es dann wohl auch um eine verantwortungsvolle Nutzung – Wie kann man die sicherstellen?

Alicia: Erstmal klare Regeln einführen. Wenn wir den Schüler:innen einfach nur sagen, schreibe einen Aufsatz über Marie Curie über 500 Wörter, wird das Kind das womöglich 1 zu 1 in ChatGPT eingeben und einen Aufsatz generieren lassen. Das ist nicht Sinn der Sache. Ich sage also in den Klassen, dass KI nur ein digitaler Assistent ist und nicht die Verantwortung oder die Arbeit von uns übernimmt. Es geht darum, dass wir der Maschine sagen, was wir brauchen und dann das Endergebnis analysieren, kontrollieren und anpassen. Diesen Vorgang müssen wir vorleben. Ich mache das selbst auch, wenn ich damit arbeite. 

Michael: Die Idee ist auch bei uns, wenn wir mit KI-Tools arbeiten, es als eine künstliche Assistenz zu bezeichnen. Das Kontrollieren der Ergebnisse kann man im Unterricht auch live mit den Schüler:innen machen, damit sie sehen, wie man die Antworten gegenprüft und sicherstellt, dass alles auch wirklich richtig ist.  

Michael Lutz ist EdTech Coach und Lehrer der 1.-3.  Sekundarstufe im Kanton Zürich (Foto: Trix von Allmen)
Könnt ihr uns ein paar Tipps für die Praxis geben?

Martin: In der Erwachsenenbildung zeige ich Schulungsteilnehmer:innen, die beispielsweise eine Bürokauflehre abschließen wollen, wie sie sich von KI inspirieren lassen können. Und in Folge auch, dass Programme wie ChatGPT eine richtig gute Hilfestellung im Arbeitsalltag sind. 

Michael: Es geht darum, wie wir das Programm nutzen, also konkret, wie wir Prompts (Anm.: die Eingaben oder Fragen an die KI) so erstellen, dass sie die Antworten so geben, wie wir sie brauchen. Ich gebe dem Tool deshalb am besten ein Setting vor – man könnte ChatGPT zum Beispiel Aufgaben zu einem spezifischen Themenfeld stellen lassen, um den Wissensstand der Schüler:innen abzuprüfen. Das würde dann etwa so lauten: Erstelle mir basierend auf dem vorliegenden Text, sieben Fragen um das Textverständnis zu überprüfen, basierend auf Multiple Choice, mit vier Antworten und markiere mir die richtigen Lösungen mit einem x. 

Alicia: Wichtig ist, dass es bei Aufgaben für Schüler:innen genaue Kriterien der Nutzung und Konsequenzen bei Verstößen gibt. Angenommen also, ich bin Geschichtelehrer und gebe einen Aufsatz über Nelson Mandela auf. Ich gebe dabei den Rahmen vor, dass sie sich beispielsweise drei bis vier Quellen anschauen und diese mit Datum und Link anführen sollen. Oder, dass es in Ordnung ist, für diese Aufgabe einen Text generieren zu lassen, das aber als Zitat anzuführen ist.  

Gibt es auch Risiken, die ihr seht?

Alicia: Gerade ChatGPT birgt Gefahren für die Verbreitung von Hate Speech oder Fake News, das müssen wir im Unterricht aufarbeiten. Ich habe dafür zum Beispiel die Aufgabe gegeben, einen Social Media Post zum Thema Hate Speech zu erstellen und dafür die Rahmenbedingungen festgelegt – dass sie auch ChatGPT einsetzen. Digitale Grundbildung beinhaltet auch Medienkompetenz, das ist essentiell für eine kritische Auseinandersetzung.  

Michael: Datenschutz ist für mich so ein Thema, bei dem man aufpassen muss. Da nutze ich das Tool von fobizz, wo man sich als Lehrkraft registriert und die Schüler:innen dann unter einem Pseudonym anonym und sicher arbeiten. Aber es ist natürlich auch klar, dass einige KI-Tools, die es derzeit am Markt gibt, noch nicht ausgereift sind und bedenkliche Gespräche dabei herauskommen können. Eine Schülerin hat mir zum Beispiel erzählt, sie wäre jetzt mit dem Chatbot verheiratet, weil er ihr einen Antrag gemacht hat. Oder in einem anderen Fall hat der Bot gesagt, die geschichtliche Person, die er darstellt, wäre schon gestorben, in Wahrheit lebt sie aber noch. Man kann eben nicht alles glauben, was die KI liefert. Aber damit ist man als Lehrperson ja auch gleich bei Chancen: anhand solcher Praxisbeispiel kann man mit den Schüler:innen kritisches Denken trainieren. Damit sie gewappnet sind. 

Eve hat sich nach der Kommunikationsarbeit in der Salzburger Innovationsszene als Texterin in Wien selbstständig gemacht. Der Funke ist über die Distanz aber nicht erloschen: Nach wie vor schreibt sie am liebsten über innovative Unternehmer:innen und ihre spannenden Ideen. Dafür geht ihr im EdTech Bereich sicherlich nicht so schnell der Stoff aus.

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